(Nacht-) Leben mit Katz

Als Schaufenster für Kunst - und Kulturschaffende finden wir es wichtig, Menschen vor - sowie hinter den Kulissen vorzustellen. Mit Andy “Katz” Varlemann durften wir eine Person kennenlernen, welche beide Seiten verkörpert und seit längerer Zeit seine Passion auch Arbeit nennen darf. Als Veranstalter (ua. MAD KATZ, INDIE ROCK), Booker im Exil, DJ und Partygänger lebt Andy seit 2009 in Zürich und verbindet völlig verschiedene Welten des Nachtlebens. Seine unbändige Energie ist im Kontakt mit ihm spürbar und trotz der schwierigen Umstände ungebrochen.

Ein Portrait zwischen Ruhrgebiet, Zürich, Herrensauna und Indie Rock. 


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andy varlemann madkatz portrait interview rochade.org

Andy, wie geht es dir? Wir haben ja ein durchaus turbulentes Jahr hinter uns.

Ja, auf jeden Fall! Ich muss sagen, dank dem Privileg im Sommer die Clubs öffnen zu können, habe ich den ersten Lockdown relativ gut verkraftet. Das ganze war sehr speziell und ich habe die Motivation, die Lust und Freude der Gäste eindrücklich gespürt. Ich hatte das Gefühl die Leute nahmen es nicht für selbstverständlich und genossen die gemeinsamen Momente und die Musik, es entstand ein ganz spezieller, positiver Vibe.

Diese Erinnerungen sind es auch die mir zurzeit Hoffnung geben, mir fehlen die Kontakte und das Nachtleben einiges mehr als noch im ersten Lockdown. Ich denke mit dieser Sehnsucht bin ich nicht alleine.

Was läuft mit deinen Projekten, bist du fleissig am planen oder noch am abwarten?

In den Clubs beginnen wir langsam mit den Planungen für den Frühsommer, immer mit dem Wissen, dass wir vielleicht dann doch absagen müssen. Wir haben die Zeit auch genutzt um eine komplett neue Kommunikationsstrategie für das EXIL zu entwickeln und ich freue mich auf den Tag an dem es endlich wieder los geht.

Das hört sich grundsätzlich nicht schlecht an, hat aber trotzdem einen faden Beigeschmack. Alles ist sehr unverbindlich und ohne Planungssicherheit. Wie empfindest du das?

Diese Ungewissheit ist für alle sehr schwierig. Nicht nur für Clubs und das Nachtleben. Im letzten Sommer hatten wir ja fast wöchentlich neue Richtlinien. Das war für das ganze Team ein riesen Aufwand, aber am Ende waren wir vor allem sehr dankbar darüber, überhaupt unserem Job nachgehen zu dürfen.

Alle Clubs, mit denen ich zusammengearbeitet habe, haben die Schutzkonzepte super umgesetzt und alles gegeben, so dass man «sicher» feiern konnte. Dafür haben wir hohe Summen und sehr viele Arbeitsstunden für die Umsetzung der Sicherheitskonzepte aufgewendet


Bevor es ihn nach Zürich zog, hat Andy Varlemann in seiner Heimatstadt Duisburg und den umliegenden Ruhrpottmetropolen erste Einblicke ins Nachtleben gewonnen. Durch seine Kontaktfreudigkeit konnte er sich auch in seiner neuen Wahlheimat schnell ein spannendes Netzwerk aufbauen. Nach ersten Partys im ehemaligen Thai Thai Club, gründete er 2011 die Mad Katz Partyreihe und veranstaltet inzwischen regelmässig in verschiedenen Clubs. Neben seinem Job als Booker hosted er die Indie-Rock Nächte in Zürich, Bern, Basel und St. Gallen und als DJ hat er vor Corona zudem über 70x im Jahr an den unterschiedlichsten Orten selbst aufgelegt, dazu zählen Auftritte an der Streetparade und in der Griessmühle Berlin.

Du hast auch gute Beziehungen nach Deutschland. Merkst du in der jetzigen Situation einen Unterschied für die Akteur*innen der Nachtkultur?

Die Clubs in Deutschland haben nun seit einem Jahr durchgehend geschlossen. Dieser „positive Sommer“, den wir in der Schweiz erlebt haben, blieb bei ihnen aus. Das lange Warten und diese Ungewissheit macht vielen zu schaffen.

Du bist im Zürcher Nachtleben unterwegs, aber auch international gefragt und immer wieder in Basel zu Gast, was gefällt Dir an der hiesigen Clublandschaft?

In Basel kenne ich vorallem das Elysia, natürlich die Kaschemme oder das Rouine und von früher den Hinterhof. Alle Clubs gefallen mir sehr gut und ich hatte immer eine tolle Zeit. In der Kaschemme, mit ihrer nicht ganz einfachen Anfahrt, merke ich beispielsweise auch immer, dass die Leute wirklich extrem motiviert sind. Für mich ist es einfach einer der Orte, an dem ich mich jedes Mal total wohl fühle. Als Partygänger bin ich ein grosser Fan vom Elysia, die Soundanlage ist absolut on point.

griessmühle berlin andy katz rochade manchmal denke ich mir dass sich die gesellschaft einiges vom nachtleben abschauen könne

Siehst du Unterschiede zur Szene in Zürich?

Ich glaube nicht, dass die Unterschiede zwischen Basel und Zürich im Club Kontext so groß sind, wie manche sie machen. Meine Freund*innen und ich freuen uns zum Beispiel immer, wenn eine*r unserer Lieblings DJs in Basel spielt, da nehmen wir die Stunde Fahrtzeit gerne in Kauf. Ich denke, dass die Einwohner*innen beider Städten stolz auf das jeweilige Nachtleben und ihre Clubs sein können.

Als DJ und Veranstalter hast du einige Veränderungen mitbekommen, denkst du, die Clubkultur entwickelt sich in eine gute Richtung?

Ich persönlich bin sehr glücklich mit der Entwicklung. An den Techno Partys herrscht eine grosse Diversität. Die Leute sind weltoffen und können sich im Club komplett ausleben. Es ist egal welche sexuelle Ausrichtung, Religion oder Herkunft man hat.

Manchmal denke ich mir, dass sich die Gesellschaft einiges vom Nachtleben abschauen könnte. Was das angeht bin ich stolz ein Teil dieser Szene zu sein und ich finde es auch immer wieder toll, wie sich das Nachtleben für diese Werte einsetzt.

Es hört sich vielleicht etwas komisch an, aber durch die ganzen Umstände im letzten Sommer hatte ich mit meinen 35 Jahren einige meiner schönsten Partys in dieser Zeit. Der ganze Aufwand, der betrieben wurde, um Veranstaltungen zu ermöglichen und anschliessend die glücklichen Gesichter der Besucher und DJs. Das gibt einem unglaublich viel Energie für die Zukunft.

die leute sind weltoffen und können sich im Club komplett ausleben es ist egal welche sexuelle Ausrichtung, Religion oder Herkunft man hat. Andy Katz Varlemann Rochade.org

Hast du das Gefühl die Musik in den Clubs hat sich über die Jahre verändert? Gerade schnellere Techno Musik scheint ja an Beliebtheit zu gewinnen.

Zur allgemeinen Veränderung kann man durchaus behaupten, dass sich was in der musikalischen Entwicklung der lokalen Technoszene getan hat. Vor 10 Jahren war Techno in Zürich quasi tot, es wurde viel Tech House, House und Minimal gespielt. Das hat sich wortwörtlich “verschnellert”. Ansonsten kommt im Moment auch einiges von früher wieder. Es werden wieder Rave Tracks aus den 90ern gespielt und auch Trance ist schon länger wieder im Kommen.

Du hast viel Erfahrung und veranstaltest unterschiedliche Partys, wie sieht deine perfekte Clubnacht aus?

Meine Vision einer guten Party bringt auch Diversität im Line Up mit sich. Mir ist sehr wichtig, dass ich Acts buche, welche ich selber musikalisch auch mag. Ich versuche neue DJs zu entdecken und hier aufzubauen wie bei der Herrensauna Party und ihren DJs oder mit den Lebendig und Synoid Nächten. Auch Live Acts gehören immer wieder dazu, das bringt nochmals einen anderen Drive in das Ganze. Bei mehreren Floors wie an der Mad Katz im Hive hat man dann den Vorteil, auch mal etwas mehr experimentieren zu können.

Letzten Sommer habe ich die Choke Extended im EXIL veranstaltet (mit The Horrorist live, Ida Engelhardt, Taucher, Trym, Die Klar und Gabber Eleganza). Die Diversität an dieser Party über 13 Stunden hat zum Beispiel super gepasst. Das war von A bis Z ein Event wie ich ihn mir vorstelle. Obwohl - nicht ganz: Es wäre toll gewesen, wenn, wie ursprünglich geplant, die Streetparade vorher stattgefunden hätte. :)

Kannst du bei all der Arbeit die Künstler*innen persönlich kennen lernen?

Ich versuche die DJs vor oder nach ihren Auftritten auch persönlich kennenzulernen. So gehen wir meist gemeinsam essen, wenn man sich ein wenig kennt wird automatisch die Stimmung im Club und während der Party entspannter. Diese Lockerheit hilft und wenn alles gut läuft kommen die Acts beim nächsten mal hoffentlich wieder gerne zu einer meiner Partys. Hinzu kommt, dass es auch einfach spannend ist, neue Menschen zu treffen, mit denen ich meine Leidenschaft teile.

Lange Nächte und ein volles Programm, wie stehst du das durch? Was hält deine Motivation hoch?

Um das auf Dauer durchziehen zu können ist es mir wichtig, an Orten zu sein, an denen ich mich wohlfühle. Nach der Party gemeinsam zusammensitzen, etwas trinken und Zeit haben für Gespräche mit allen Beteiligten, sowas schweißt zusammen. In der Kaschemme, dem EXIL, HIVE oder ISC fühle ich mich wohl, Ich spüre dabei, dass die Leute gerne dort arbeiten, vom Security über das Barpersonal bis zum Verantwortlichen des jeweiligen Abends. Diese positive Energie tut allen Mitarbeitenden gut und färbt am Ende auch auf die Stimmung der Besucher ab.

Was mir persönlich Abwechslung verschafft, ist meine musikalische Vielseitigkeit, ich spiele ja Indie und Techno. Wenn ich mal drei Wochen am Stück die gleiche Musikrichtung auflege, freue ich mich extrem auf das andere Genre und umgekehrt.

Wichtig sind aber auch Auszeiten die ich mir nehme, ich reise sehr gerne und verbinde meine Ausflüge mit der Musik und besuche Clubs im Ausland. Das gibt neue Inputs und Motivation. Kurz vor dem Lockdown war ich zum Beispiel in Tiflis. Eine wunderbare Stadt mit einer grandiosen Technoszene.

Natürlich tut aber auch ein Urlaub ganz ohne Clubbing gut ;)

Du hast die Kaschemme angesprochen, wir schwärmen ja immer noch von der ersten Kinkirsi - Nacht im Sommer (mit ua. SPFDJ & Tham). Das war sehr eindrücklich, wie hast du das empfunden? Was sind deine Pläne mit Kinkirsi?

Das war echt speziell schön! Die Situation rund um die Clubs war ja damals schon sehr angespannt und ohne die Ausnahmestellung die Basel zu dem Zeitpunkt in Europa hatte, wäre die Party wohl nicht mit diesem Line-Up möglich gewesen. Schlussendlich hat sich aber auch jede*r, inklusive der DJs so richtig auf diese Nacht gefreut. Die Party war ausverkauft und die Leute haben gefeiert als gebe es kein Morgen ;)

Mich persönlich hat es sehr gefreut, dass schon beim Intro von Pelin die Stimmung am Kochen war und der Club bis zum letzten Lied von Herrrouine & Gomorra voll war. Ausserdem hat die Kaschemme meiner Meinung nach einen der tollsten Außenbereiche der Schweiz, so kann man zwischendurch ideal entspannen. Die Kinkirsi wird sicher nochmal irgendwann in der Kaschemme stattfinden, aber mehr kann ich da im Moment noch nicht zu sagen.

Was sind denn deine aktuellen Favourites musikalisch, neben den bereits erwähnten?

Regional sehe ich extrem viele kreative, motivierte junge Leute. Insgesamt sind es zu viele, um alle aufzuzählen. Ich kann zum Beispiel jede*n DJ von unserer Podcast Serie empfehlen. Besonders freut mich, dass immer mehr talentierte Frauen in der Techno Szene in Zürich für Furore sorgen. So unter anderem Clara Dea, Pelin Vedis, Advanced Darkness, Nitrate, Tikitula um nur einige zu nennen.

Ausserdem gibt es extrem talentierte lokale Live Acts wie Cryptic, Nimbus oder Freigeister.

International ist es schwierig einen bestimmten Act hervorzuheben, aber einige spannende Künstler*innen kann man bei folgenden Labels entdecken: Ismus, Lebendig, Fleisch, Space Trax, aufnahme + wiedergabe, Union Trance Mission, Herrensauna, KAOS, Bite, Bunkerbauer, Lux Rec, Fast Forward. Da gibt es aber natürlich noch viele mehr ;)

Danke Andy, dass du dir Zeit genommen hast und für diesen spannenden Einblick in dein (Nacht-) Leben. Man spürt deine Leidenschaft in deinem Wirken! 

Danke euch! Es hat mir viel Spass gemacht, tolle Fragen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei all den Menschen bedanken, welche mit mir den ganzen Weg gegangen sind und mir die Türen geöffnet haben.

Bis bald im Club <3